
HISTORISCHE Hintergründe
Das Schloss Marienburg ist ein anerkanntes Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung. Für Niedersachsen und insbesondere für das frühere Land Hannover hat es eine identitätsstiftende Funktion. Errichtet wurde es ab 1858 für Königin Marie von Hannover (1818-1907), die das Schloss von ihrem Ehemann Georg V. (1819-1878), dem letzten König von Hannover, geschenkt bekommen hatte.
Der ausführende Architekt war mit Conrad Wilhelm Hase ein Hauptvertreter des norddeutschen Historismus. Im Verlauf der Bauzeit wurde er durch den Architekten Edwin Oppler abgelöst, zu dessen weiteren Hauptwerken die 1938 vernichtete Synagoge in Hannover zählte. Insbesondere die von Oppler konzipierte Innenausstattung des Schlosses gehört zu den ausgereiftesten Werken der historistischen Bau- und Wohnkultur nicht nur in Niedersachsen.
Der Bau des Schlosses wurde kurz vor der Vollendung unterbrochen, nachdem das Königreich Hannover von Preußen annektiert worden war. Auch deshalb hat das Kulturdenkmal für das hannoversche Selbstverständnis eine besondere Bedeutung. Die Marienburg war bis 2020 Privateigentum des früheren welfischen Königshauses, heute vertreten durch den 1983 geborenen Ernst August Erbprinz von Hannover. Er hat gemeinsam mit dem Land Niedersachsen eine Gesamtlösung gefunden, die das Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich hält und seine dringend gebotene, umfassende Sanierung sicherstellt. Ein zentraler Bestandteil dieser Lösung ist der Übergang von Immobilie und Inventar an die von Ernst August Erbprinz von Hannover errichtete Stiftung Schloss Marienburg.
Da das Schloss nur sporadisch bewohnt wurde, hat es nur wenige Veränderungen erfahren und ist weitgehend unverfälscht als Gesamtkunstwerk erhalten. Es bietet daher die Möglichkeit, seinen Besucherinnen und Besuchern eine authentische königliche Sommerresidenz zu vermitteln. Integraler Bestandteil des Gesamtkunstwerks Marienburg ist das kulturhistorisch wertvolle Inventar. Dazu gehört die ursprüngliche Ausstattung des Schlosses ebenso wie zahlreiche weitere Kunstgegenstände, die vor allem nach 1945 aus anderen Welfenschlössern auf die Marienburg gelangt sind. Der ideelle Wert dieses Inventars ist Teil der niedersächsischen Landesidentität und in Geld nicht zu beziffern.



Das aktuelle baugeschehen

Die Bausanierung
165 Jahre hinterlassen ihre Spuren. Undichtigkeiten der Gebäudehülle, Schwammbefall und erodierender Baugrund haben über die Jahre dazu geführt, dass die Standfestigkeit von Schloss Marienburg in Gefahr geriet. Eine Sanierung des Schlosses wurde unumgänglich.
Seitens des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und des Landes Niedersachsen werden hierfür insgesamt rd. 27 Mio. Euro für die Sanierung von Schloss Marienburg zur Verfügung gestellt.
Seit November 2022 steuert, leitet und überwacht das Ingenieurbüro Schütt Ingenieurbau GmbH & Co. KG das Sanierungsprojekt. Mit der Beauftragung der pmp Projekt GmbH als Generalplaner startete im August 2023 der Prozess der Objekt- und Fachplanung. Schnell wurde deutlich: Schloss Marienburg ist erstaunlich wenig erforscht. Wichtige Informationen über Baumaterialien, Techniken und das Ausmaß der Schäden am Gebäude sowie der historischen Innenausstattung fehlten.
Nach umfangreicher Grundlagenermittlung und Abschluss der Vorplanung konnte ermittelt werden, welche Maßnahmen sich mit der zur Verfügung stehenden Summe verwirklichen lassen. Eine Priorisierung dieser Maßnahmen nach Dringlichkeit hat diese Reihenfolge der Bauabschnitte ergeben:
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Notsicherung Laubengang
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Hangsicherung und Südterrasse
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Süd-, West- und Ostflügel
Die Bauabschnitte 1 und 2 sind aufgrund ihres Schadensumfanges unverzichtbar und schaffen zugleich die baulichen Voraussetzungen für die Hauptarbeiten.
Zum 3. Bauabschnitt gehört neben der dringend erforderlichen Sanierung von Dach, Fassaden, Fenstern und Türen auch die museale Nutzbarmachung des Erdgeschosses im Süd-, West- und Ostflügel.
Bauabschnitte

Der Laubengang
Östlich des Schlosses befindet sich entlang der umlaufenden Stütz- und Umfassungsmauern eine steile Felswand. Auf diesem Hang ruht ein offener Laubengang aus Naturstein, getragen von Bögen und Konsolsteinen. Jahrelanger Bewuchs und eindringende Feuchtigkeit haben Felsplatten gelockert und Material abgetragen. Aufgrund der fortschreitenden Schädigung fehlt den Konsolsteinen und dem darunterliegenden Mauerwerk nun ausreichender Halt
– der Laubengang ist akut einsturzgefährdet!
Bauabschnitt 1, die Notsicherung des Laubengangs, ist eine besondere Herausforderung: Fünf auskragende Stahlträger sollen von oben die tragenden Konsolsteine unterstützen. Anschließend können in Bauabschnitt 2 die losen Felspartien mit Ankern fixiert und einer Spritzbetonschale gesichert werden.
So entsteht eine neue Auflagefläche für die Konsolen und der Laubengang ist gesichert.

Schäden des Osthangs

3D-Modell der Konstruktion der Notsicherung
Die Südterrasse
Eines der besonderen Architekturmerkmale von Schloss Marienburg ist die große Südterrasse. Doch auch sie ist stark sanierungsbedürftig. Eine Vielzahl von Rissen und Spalten durchzieht heute den Terrassenbelag und zeigt deutlich, dass sich hier etwas ungewollt bewegt hat. Die Oberfläche der Terrasse ist stark abgesackt. Von unten betrachtet werden Zusammenhänge mit der hohen Stützmauer sichtbar. Das Mauerwerk zeigt Rissbildungen und besonders in der unteren Hälfte starke Spuren der Verwitterung. In diesen Bereichen hat sich die Stützmauer horizontal verformt.
Nun müssen die Ursachen erforscht und geeignete Maßnahmen für die Sicherung und Stabilisierung der Terrasse entwickelt werden.
Die Stabilität der Südterrasse ist die Voraussetzung für das Aufstellen eines Gerüsts am Südflügel, das für den 3. Bauabschnitt genötigt wird.


Südterrasse von oben
Stützmauer der Südterrasse
Die Dachdeckung
Schloss Marienburg besitzt eine sehr bewegte Dachlandschaft mit zahlreichen Giebeln, Türmchen, Gauben und Schornsteinen. Sie prägt das Erscheinungsbild des Schlosses und trägt zu seinem malerischen Charakter bei.
Im Laufe der Zeit sind zahlreiche Anschlüsse der Dachdeckung ans Gebäude undicht geworden. Die historischen Dachziegel weisen große Schäden auf: Durch Witterungseinflüsse und Stürme sind etliche von ihnen gebrochen.
Für die Sanierung des Daches werden die historischen Ziegel abgedeckt und – soweit unversehrt – eingelagert. Um die Innenräume währenddessen vor Regen zu schützen, wird ein großflächiges Wetterschutzdach über den Gebäudeflügeln errichtet.
Nach Instandsetzung der Dachkonstruktion wird ein festes Unterdach aufgebracht und alle defekten Bauteile, Entwässerungsrinnen- und Leitungen erneuert.
Abschließend wird das Dach in einem Verbund aus eingelagerten historischen und nachgebrannten Ziegeln wieder eingedeckt.

Dach des nordwestlichen Torbereichs

Beispiel eines Wetterschutzdaches
Die Dach- und Deckenkonstruktion
Die Dachkonstruktion ist in weiten Teilen gut einsehbar. Die Konstruktion der Holzbalkendecken und die daran anschließenden Dachbauteile sind dagegen zu einem Großteil von Fußböden und Raumdecken verdeckt. Genau dort zeigen Stichproben bereits erhebliche Schäden.
Sie sind in Teilen von holzzerstörenden Pilzen befallen (u.a. „Echter Hausschwamm“). Die Pilze zersetzen das Holz, es wird brüchig und verliert seine Tragfähigkeit. Sichtbar wird dies am charakteristischen Würfelbruch des Holzes. Das Pilzmyzel des Echten Hausschwamms ist in der Lage, sich auch im Mauerwerk und anderen Materialien auszubreiten. Es kann dabei weite Strecken im gesamten Gebäude zurücklegen.
Um das genaue Ausmaß der Schäden bestimmen zu können, öffnen Fachleute derzeit zahlreiche Bauteile im gesamten Schloss. Erst nach dieser Voruntersuchung lassen sich die notwendigen Reparaturen an Dach- und Deckenkonstruktionen im Detail planen. Fest steht bereits, dass besonders die Balken im Bereich des Daches ausgebessert oder ersetzt werden müssen.

Zerstörter Balkenkopf im Dachgeschoss

Beispiel eines sanierten Daches
Die Fassade
Die Fassaden von Schloss Marienburg sind aus Natursteinmauerwerk errichtet. Ein besonderes Detail sind kleine Kalksteine (Besatzsteine), welche in sämtliche Fugen des Mauerwerks eingesetzt wurden.
Witterung und Regen haben besonders an exponierten Stellen den Fugenmörtel ausgewaschen: Das Kalk-Bindemittel fehlt, loser Sand rieselt heraus. Auch die zahlreichen Zierelemente der Fassaden sind zum Teil erheblich geschädigt – sie weisen Fehlstellen, Abplatzungen und Oberflächenschäden auf. Die Eisenverankerungen korrodieren, dehnen sich aus und sprengen Stücke des Sandsteins ab.
Dort, wo der gealterte Mörtel seine Funktion nicht mehr erfüllt, wird er aus den Fugen entfernt. Mit schadhaften Altausbesserungen soll ebenso verfahren werden. Anschließend wird – mit einem der historischen Bausubstanz verträglichen Material – neu verfugt. Die kleinen Besatzsteine in den Fugen stellen ein charakteristisches Gestaltungsmerkmal dar und werden wieder eingesetzt.
Abgesprengte Partien, die durch korrodierte Eisenanker entstanden sind, werden ergänzt und gelockerte Architekturelemente wieder befestigt.

Westliche Fassade der Kapelle

Schäden der Fugen der Kapellenfassade
(Rot: Fehlstelle, Violett: Absandung, Dunkelgrau: Ergänzung)
Die Zukunft von Schloss Marienburg
Der Abschluss der Bauarbeiten ist für das Jahr 2031 geplant. Dann werden die Standfestigkeit des Schlosses wiederhergestellt sein sowie ausreichender Brandschutz und eine genehmigungsfähige Nutzung bestehen.
Die Stiftung plant, das Schloss erneut als Museum zu betreiben, ein gastronomisches Angebot zu schaffen und es wieder als Veranstaltungsort zu nutzen.
Das Museumskonzept
Das Land Niedersachsen entwickelte Anfang 2020 gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder (KSL) das Projekt „Marienburg 2030“, das im Juli 2020 startete.
Ausgangspunkt des Projekts war die Überführung des Schlosses Marienburg aus dem Privateigentum des früheren hannoverschen Königshauses in die Stiftung Schloss Marienburg. Die Stiftung ist seit Januar 2020 Eigentümerin der Immobilie und des Inventars, abgesehen von der Gemäldesammlung, die das Landesmuseum Hannover mit Unterstützung der KSL und weiterer Förderer erworben hat.
Die Übernahme dieser Kunstwerke in die öffentliche Hand ist mit der Verantwortung verknüpft, ihre dauerhafte öffentliche Zugänglichkeit im Schloss sicherzustellen. Neben einer umfangreichen baulichen Sanierung schließt dies auch die konservatorische Erhaltung sowie wissenschaftliche und museale Erschließung der auf der Marienburg vorhandenen Kunst- und Kulturgüter mit ein. Als Teil dieser komplexen Herausforderung wurde 2020 das Projekt „Marienburg 2030“ ins Leben gerufen, dessen Ziel die Neueinrichtung eines Museums in Schloss Marienburg ist.
Nachdem die Machbarkeit positiv beschieden werden konnte, begann das Projektteam 2022 mit der Erarbeitung eines Masterplans. Aufbauend auf den zuvor gewonnenen Erkenntnissen entstand in interdisziplinärer Zusammenarbeit ein zukunftsfähiges museales Nutzungskonzept, welches nun Stück für Stück umgesetzt werden soll.